In spannenden 90 Minuten vermittelte er ein differenziertes Bild der Region, ihrer Geschichte und der aktuellen Auseinandersetzungen. Der Vortrag profitierte nicht nur von einer sorgfältigen Recherche, sondern auch von Ronnefeldts Reisen in die Region, von seinen Begegnungen und Interviews dort mit Einwohnern, Flüchtlingen, religiösen Würdeträgern, PolitikerInnen und MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen. Neben Statistiken und Graphiken illustrierten eindrucksvolle Fotos und Videosequenzen seinen Vortrag.
Für viele ZuhörerInnen sicher überraschend seine sorgfältig begründete These, dass der Kern des Syrienkonfliktes nicht religiöse Konflikte oder schlichte Machtkämpfe verfeindeter Clans seien – sondern ein Kampf um Gas-Piplines – also um wirtschaftliche Interessen.
Ronnefeldt schloss mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen an die Politik. Zum einen sei es unabdingbar, die Nachbarländer Syriens, die den Großteil der Flüchtlinge aufgenommen haben, zu unterstützen, damit sie den Flüchtlingen eine menschenwürdige Existenz bieten können. Auf die externen Verbündeten der Konfliktparteien, insbesondere die Türkei und Saudi-Arabien müsse eingewirkt werden, ihre Unterstützung des IS, einzustellen. Eine Lösung könne letztlich nur auf einer Friedenskonferenz gefunden werden.
Das Atomabkommen mit dem Iran zeige, wieviel Geduld das benötige – dass es aber letztlich möglich sei. All dies sei nur möglich, wenn den Menschen der Region auf Augenhöhe und nicht von oben herab begegnet werde.
Drei sehr einfach Vorschläge hatte Ronnefeldt für die ZuhörerInnen und Zuhörer: Jeder Kilometer, der mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werde, helfe, unsere fatale Abhängigkeit vom Erdöl und Erdgas zu verringern und dadurch die wirtschaftlichen Interessenkonflikte in der Region zu entschärfen. In die gleiche Richtung wirke der Wechsel zu Energieanbietern, die Strom aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen. Und letztlich sei es hilfreich, den Großbanken den Rücken zu kehren, die mit den internationalen Energiekonzernen verbunden seien, deren Ölhunger die Konflikte anheize – und mit der Waffenindustrie, die direkt vom Krieg profitiert.
Einen Text von Clemens Ronnefeldt mit leicht anderem Schwerpunkt als in seinem Vortrag in Karlsruhe findet sich im Anhang.